Kommentar: Konrad ist ein Geschenk
Das Fahrradverleihsystem »Konrad« bewegt Kassel. Während es von dOCUMENTA-Besuchern und Studierenden der Universität rege genutzt wird, diskutieren die Lokalpolitik und -medien über die Wirtschaftlichkeit der „Konräder“. Dabei ist Konrad ein Geschenk für Kassel und insbesondere für die Studierenden der Universität Kassel.
Mobilität jenseits von breiten Straßen oder Schienenwegen, allein durch Muskelkraft – gibt es eigentlich ein noch umweltfreundlicheres Verkehrsmittel für mittlere Entfernungen? Und gibt es eigentlich eine noch effizientere Möglichkeit der Fuhrparkunterhaltung als der gemeinsamen Benutzung, des „Sharings“? Auf (mindestens) diesen beiden Gedanken fußen Konzepte wie „Call-a-Bike“ der Deutschen Bahn AG oder des Kasseler „Konrads“. Und wie gut ein solches Angebot ankommen kann, lässt sich auf Kassels Straßen begutachten: Günstige Tarife, eine auffällige Farbgebung und Dank unschlagbarer Nutzungsbedingungen für Studierende viele junge Leute im Sattel. Was für ein Werbeeffekt! Und als Forschungsprojekt, u.a. vom Bund mit Geldern gefördert, auch äußerst kostengünstig für die Stadt Kassel zu haben. Also für das bislang „fahrraduntypische“ Kassel ein Geschenk – auch damit der PKW-Fraktion die Mitbenutzer der Straßen bewusst werden. Mit einem Verlust von Konrad droht der Nordhessenmetropole wieder das Schicksal, als graue, autogerechte Stadt wahrgenommen zu werden.
Ein Verlust von Konrad wäre allerdings auch für die Studierenden der Universität Kassel ein herber Verlust in ihrem nutzbaren Verkehrsangebot. Denn diese haben die mit Abstand besten Konditionen beim „Konradeln“. Für (fast) geschenkte ein Euro im Semester, also zwei Euro pro Jahr, dürfen sie 45 Minuten am Stück fahren – bis das nächste Konrad wartet. Zum Vergleich: Inhaber einer NVV-Jahreskarte für Kassel bekommen im Monat zehn Stunden Konrad. Und wie es bei einem Geschenk so ist, möchte man es nicht hergeben und wenn, dann nur unter Protest. Den Protest hat nun der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität Kassel als Interessenvertretung der dortigen Studierenden geäußert. In einem offenen Brief an die Stadt fordert der AStA den Erhalt von Konrad. Angesichts der bisherigen Konditionen ist der Protest und die Bekräftigung, hinter Konrad zu stehen, nachvollziehbar. Und die offerierte Verhandlungsbereitschaft sind hoffentlich ein Zeichen, dass sich der AStA des Geschenks Konrad bewusst geworden ist. Frühere mediale Äußerungen, á la „mehr als ein Euro sei nicht drin“, sind damit hoffentlich passé, die Studierendenvertreter vielleicht von ihrem „hohen Sattel“ herabgestiegen.
Denn trotz all der positiven Effekte dieses Geschenks darf die finanzielle Situation der Stadt Kassel leider nicht außer acht gelassen werden. Der Haushalt steht und fällt bereits jetzt mit dem Placet des Regierungspräsidiums. Und wie sich der ÖPNV in gewissem Rahmen „rechnen muss“, gilt dies auch für Konrad. Natürlich sind Fahrpreiserhöhungen immer schmerzhaft und können zum Umstieg auf ökologisch ungünstigere Verkehrsmittel motivieren, aber bei Konrad ist durchaus „noch Luft“. Zudem handelt es sich bei Konrad um ein „Nice-to-Have“, im Gegensatz zum Semesterticket nach Paderborn und Fulda, welches von deutlich weniger Studierenden genutzt werden muss. Unter diesen Gesichtspunkten sollten auch mehr als ein Euro pro Semester vertretbar und sozial verträglich sein. Und ohne Verhandlungslösung hat es sich sehr schnell ausgefahren.
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